Superkompensation ist ein zentraler Begriff im Bereich der Trainingswissenschaften und beschreibt den Prozess, durch den sich der Körper nach einem Training an die Belastungen anpasst und die LeistungsfĂ€higkeit ĂŒber das ursprĂŒngliche Niveau hinaus steigert.
Als ich mit Rudern begonnen habe, sah mein Trainingsplan einfach und ĂŒbersichtlich aus. Dienstag und Donnerstag Rudertraining, bei Bedarf und Lust noch einmal am Wochenende. Mittlerweile hat es sich etwas verĂ€ndert, gleichzeitig versuche ich jedoch immer noch zwischen die Trainingseinheiten Pausen zu legen.
Superkompensation hatte ich schon einmal zuvor gehört, darauf basierend hatte ich mein Training geplant. Doch wie funktioniert der Mechanismus der Superkompensation wirklich und wie sehr hilft es mir fĂŒr mein eigenes Training?
Inhalt
Was ist Superkompensation?
Zwischen der Belastung und der Anpassungsreaktion des Körpers herrscht ein dynamisches Gleichgewicht: Homöostase ist der Zustand, bei dem der Körper sein inneres Gleichgewicht aufrechterhĂ€lt, trotz VerĂ€nderungen in der Umgebung. Es bedeutet, dass der Körper automatisch auf VerĂ€nderungen reagiert, um stabile Bedingungen wie Temperatur, pH-Wert und FlĂŒssigkeitsbalance zu bewahren.
Trainingsreize bringen den Körper aus seinem Gleichgewicht. Um dieses Gleichgewicht wiederherzustellen und sich auf zukĂŒnftige Trainingsreize besser vorzubereiten, passt der Körper seine Funktionen und Strukturen an. Diese Anpassungen erhöhen das Leistungsniveau fĂŒr eine begrenzte Zeit ĂŒber das ursprĂŒngliche Niveau hinaus. Die Phase, in der die LeistungsfĂ€higkeit ĂŒber dem Ausgangsniveau liegt, nennt man Superkompensation.
Der Zyklus der Superkompensation
Der Prozess der Superkompensation lÀsst sich in vier Phasen unterteilen:
- Belastungsphase: WĂ€hrend des Trainings wird der Körper belastet, was zu einer vorĂŒbergehenden Verringerung der LeistungsfĂ€higkeit fĂŒhrt.
- Erholungsphase: Nach dem Training beginnt der Körper mit der Regeneration. In dieser Phase werden die verbrauchten Energiespeicher wieder aufgefĂŒllt und beschĂ€digte Strukturen repariert.
- Superkompensationsphase: Der Körper adaptiert sich an die vorherige Belastung und erhöht die LeistungsfĂ€higkeit ĂŒber das ursprĂŒngliche Niveau hinaus.
- RĂŒckkehr zum Ausgangsniveau: Ohne erneute Belastung kehrt der Körper schlieĂlich zum Ausgangsniveau zurĂŒck.
Verschiedene Studien haben den Prozess der Superkompensation und deren EffektivitĂ€t untersucht. Eine Untersuchung von Zatsiorsky und Kraemer (2006) zeigt, dass die richtige Balance zwischen Belastung und Erholung entscheidend ist, um die positiven Effekte der Superkompensation zu nutzen. Weitere Forschungen von Mujika und Padilla (2001) zeigen, dass individuelle Unterschiede in der RegenerationsfĂ€higkeit berĂŒcksichtigt werden mĂŒssen, um optimale TrainingsplĂ€ne zu erstellen.
Erst einmal logisch: Wenn ich nur trainiere und keine Pausen mache, erfolgt kein Fortschritt.
Die oben genannten Quellen finde ich spannend: Zatsiorsky und Kraemer haben ein komplettes Buch zum Thema Krafttraining geschrieben. Ab Kapitel 5 (Seite 98 im PDF) wird die Periodisierung und Superkompensation beschrieben. Im Verlauf wird von Mikrozyklen, Mesozyklen und Makrozyklen geschrieben. Wie hÀufig plane ich Pausen, wie hÀufig Belastung?
Bei Mujika und Padilla ging es in der Studie darum die Trainingslast zu reduzieren um bessere Ergebnisse zu erhalten.
Einfach weniger trainieren um besser zu werden đ€ Oder so Ă€hnlich đ
Superkompensation im Rudern
Rudern ist ein hervorragendes Beispiel fĂŒr einen Ausdauerkraftsport, bei dem die Prinzipien der Superkompensation effektiv angewendet werden können. Das Training im Rudern umfasst sowohl Ausdauer- als auch Kraftkomponenten, was eine gezielte Planung der Trainings- und Erholungsphasen ermöglicht. Ein Training kann anstrengend sein, und Pausen sind wichtig.
Eine Studie von Steinacker (1993) zeigt, dass ein ausgewogenes VerhĂ€ltnis von Trainingsbelastung und Erholung im Rudern entscheidend fĂŒr die Leistungsentwicklung ist.
Eine weitere Untersuchung von Maestu et al. (2005) bestĂ€tigt, dass individuelle Anpassungen im Training notwendig sind, um Ăbertraining zu vermeiden und die Superkompensation optimal zu nutzen.
Wie kann also ein Trainingszyklus im Rudern aussehen? Es gibt verschiedene Arten ein Rudertraining zu gestalten:
- Intensives Intervalltraining: Belastungsphase, die auf die Verbesserung der maximalen Sauerstoffaufnahme (VO2max) abzielt.
- Regenerationstraining: Niedrigintensives Training oder Ruhetage zur Förderung der Erholung.
- Techniktraining: Fokus auf die Verbesserung der Rudertechnik, oft bei mittlerer IntensitÀt.
- Krafttraining: ErgĂ€nzende Trainingseinheiten zur StĂ€rkung der Muskulatur. Ich persönlich bevorzuge bspw. LiegestĂŒtze oder Bodyweight Training
Die richtige Abfolge und Kombination dieser Trainingsformen fördern die Superkompensation und fĂŒhren zu einer kontinuierlichen Leistungssteigerung.
Im Trainingsplan fĂŒr das Rudern gibt es auch Beispiele wie den Petes Plan, welcher als Pausen eine Steady State Training nutzt.
Funktioniert die Superkompensation fĂŒr mich als Laien?
Ich muss ganz ehrlich gestehen, nachdem ich das Buch von Zatsiorsky und Kraemer gelesen und mehr Literatur zu dem Thema gefunden habe, kam ich zu dem Schluss, dass man aus dem Prinzip lediglich Ableitungen fĂŒr das eigene Training machen kann. Wieso? Einen Trainingsplan mit Belastungsphasen und Regenerationsphasen zu planen ist noch relativ einfach möglich – diesen dann aber auch durchzuziehen erfordert Durchhaltevermögen und teilweise auch Ăberwindung. Manchmal fĂŒhle ich mich schlicht nicht nach einem bestimmten Workout. Nicht immer funktioniert mein Ablauf, so wie ich diesen plane. Der Alltag war ggf. anstrengend und der Sport soll als Ausgleich dienen – wieso dann den eigenen Körper zusĂ€tzlich noch quĂ€len?
Bei Wikipedia wird in der Kritik der Superkompensation beschrieben:
Deshalb ist es wichtig, das Prinzip der Superkompensation als Modell zu verstehen, das die Anforderungen an die Trainingsgestaltung im Zeitverlauf allgemein formuliert. Eine unmittelbare Umsetzung in einen Trainingsplan ist aus den genannten GrĂŒnden nicht möglich.
Wo sind eigentlich die Roboter, welche uns unterstĂŒtzen noch fitter und stĂ€rker zu werden?
Cross it, crack it, twitch, update it
Eine der gröĂten Schwierigkeiten an dem Prinzip sehe ich darin begrĂŒndet, dass man mit einem Modell nicht einschĂ€tzen kann wann ein bestimmtes Leistungsniveau erreicht wurde. Hier setzen Fitness-Gadgets und Apps an.
Meine Garmin Uhr weist mich bspw. darauf hin, dass ich eine Pause machen sollte wenn ich bereits viel trainiert habe. Ebenso das Whoop Band, welches ich aktuell teste.
Einen Àhnlichen Ansatz verfolgt die App Gentler Streak, welche auf Basis des bisherigen Trainings versucht eine EinschÀtzung zu geben, wann wieder trainiert werden kann und wann eine Pause ggf. sinnvoller erscheint. Auch die freeletics App hat einen AI Personal Trainer als Coaching Angebot.
Auf der Fibo hatte ich mich mit Flavio kurz zu dem neuen RudergerĂ€t von Augletics unterhalten und er hat die Augletics KI erwĂ€hnt, die kĂŒrzlich im Augletics RudergerĂ€t implementiert wurde:
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Eine kĂŒnstliche Intelligenz, die mir auf Basis meines bisherigen Trainings Hinweise und Tipps fĂŒr ein kommendes Training gibt.
Vermutlich keine schlechte Idee, jedoch aus meiner Perspektive nur sinnvoll wenn die eigenen Vitalzeichen fĂŒr das Training des Modells hinzugenommen werden.
Man könnte Features aus den Rohdaten bspw. von Apple Health oder Google Fit erstellen. Die wöchentliche Durchschnittsherzfrequenz, die HerzfrequenzvariabilitĂ€t, die SchlafqualitĂ€t, Gewichtstrends usw. und diese dann durch ein LLM lernen lassen. Die KI könnte anschlieĂend Tips geben ob und wieviel ich trainieren sollte um meine Fitnessziele zu erreichen.
Oder aber ich nutze die natĂŒrliche Intelligenz und frage mich vor dem Training, ob ich gerade Lust habe zu trainieren đ
Fazit
Die Superkompensation ist ein fundamentaler Mechanismus, der die Grundlage fĂŒr eine erfolgreiche Trainingsplanung bildet. Besonders im Rudern, einem anspruchsvollen Ausdauerkraftsport, ist das VerstĂ€ndnis und die Anwendung dieses Prinzips entscheidend fĂŒr den langfristigen Erfolg.
FĂŒr die meistens Hobbysportler oder Freizeitsportler kann die Superkompensation eine Möglichkeit darstellen das eigene Training sinnvoll zu planen und ein Ăbertraining zu vermeiden. Apps wie Gentler Streak oder das Whoop Band können dabei helfen und unterstĂŒtzen die eigene LeistungsfĂ€higkeit besser zu verstehen und fĂŒr sich selber einzuschĂ€tzen. Eine der einfachsten Methoden dazu ist die Frage: FĂŒhle ich mich gerade gut und ausgeruht um zu trainieren?
In diesem Sinne: Keep on resting, but don’t forget to row in between! đ