Ein Thema, welches ich schon länger beschreiben wollte, jedoch erst kürzlich wieder darauf aufmerksam gemacht wurde, ist „In der Zone sein“. Erst hat es mich etwas verwundert, dass man in deutschen Publikationen so wenig zu dem Thema findet, allerdings ist die Übersetzung auch nicht ganz einfach. „Die Zone“ wurde ebenfalls lange Zeit im deutschen Sprachgebrauch mit der Besatzungszone verbunden. Heute ist dies glücklicherweise nicht mehr so, das beste Beispiel für den neuen Sprachgebrauch mag die Benennung des Sport-Senders DAZN sein, der auf das Thema anspielt und in Deutschland ebenfalls Zuspruch findet.
Jon hatte „the zone“ kürzlich in einem Kommentar bei Strava erwähnt, und er beschreibt unter Anderem den Zustand mit folgender Analogie:
It’s the opposite of “writer’s block” where, rather than being stuck and paralyzed on what to do next, your words just flow naturally and you have a period of creative exuberance.
Was genau ist die Zone und wie erreicht man diesen Zustand?
Inhalt
Für den Zustand gibt es unterschiedliche Beschreibungen, bspw. „In einer Blase sein“, „auf Autopilot zu sein“ oder „die volle Kontrolle zu haben“ – es gibt viele unterschiedliche Beschreibungen für ein- und denselben Geisteszustand, „Flow“ ist einer der Begriffe, welcher am Weitesten verbreitet ist.
Was ist mit Flow im Rudern gemeint?
Manche mögen das Thema als etwas esoterisch empfinden, ggf. liegt es daran, dass manchmal eine Art Geheimnis darum gemacht wird oder es nicht immer gelingt einen bestimmten Geisteszustand zu erreichen. Keine Angst, es geht nicht darum, dass der Mond in einer bestimmten Phase sein muss. Aber es geht um Gefühle, rational ist es daher nicht immer zu erklären.
Letztendlich ist es ein Teil der Sport-Psychologie und es gab ein paar Publikationen dazu. Zwei Namen kommen bei der Recherche dazu häufiger vor und werden oft zitiert: Mihaly Csikszentmihalyi (sprich: „Chick-sent-me-high-ee“) und Dr. Susan A Jackson.
Csikszentmihalyi beschrieb es in seinem Buch „Flow“ wie folgt:
The state in which people are so involved in an activity that nothing else seems to matter; the experience itself is so enjoyable that people will do it even at great cost, for the sheer sake of doing it.
Ich kenne dieses Gefühl bereits von meinem Lauftraining und möchte dies ebenfalls für ruderinteressierte Menschen beschreiben.
Wann kommt man in diesen geistigen Zustand?
Wie ist es möglich mit Rudern einen höheren psychologischen Zustand zu erreichen?
Ggf. ist diese Situation bekannt: Der Rhythmus ist gut, die Belastung auf das Herz nicht spürbar – man kann gefühlt immer weiter rudern.
Man rudert also einfach weiter, man kommt an einem Punkt an, von wo man genauso ohne zu hohe spürbare Anstrengung weiter rudern kann. Es ist der Sweet Spot: Eine Ausgeglichenheit zwischen zu geringer Anstrengung und einer Überlastung, also genau zwischendrin. Durch ein regelmäßiges Training kommt dieser Zustand in welchem es für den Körper nicht mehr anstrengend wirkt, obwohl eigentlich eine für den Körper anstrengende Tätigkeit durchgeführt wird.
Man klinkt sich von Gedanken ab und macht einfach Sport. Plötzlich fangen die Gedanken an zu wandern. Die Gedanken können schweifen, man muss sich auf nichts Anderes mehr konzentrieren. Auf was sonst sollte man sich auch beschäftigen, wenn man 45 Minuten genau die gleiche Tätigkeit vollzieht? Power, Patience, Patience.
Kürzlich hat jemand in der Indoor Rowing Gruppe gefragt, wie man es schafft lange Strecken zu rudern. Diese Frage hat viel Resonanz gebracht, eine interessante Antwort möchte ich dabei herausgreifen:
I do distance and time math in my head, or count strokes in sets of 10.
Either that or I mentally battle demons
Wie man das benennt ist je nach Prägung unterschiedlich. Mögliche negativen Gedanken beiseite schieben, davon ablassen und sich auf das Rudern konzentrieren, auf die eigentliche Tätigkeit besinnen. Manchmal leichter gesagt als getan, manchmal kommt man schneller in den Flow. Vieles hängt davon ab, wie man in das Training geht und ob es störende äußere Faktoren gibt.
Steady State hatte ich schon früh in einem Artikel erwähnt und es wird hier immer wieder aufgeführt, bspw. im aeroben Training. Dabei setze ich mir zu Beginn eine Schlagfrequenz von 20 – 22 SPM als Ziel und beobachte meine Herzfrequenz während dem Training. Ich komme in das Tempo rein und versuche dieses durch den richtigen Rhythmus so lange wie möglich gleichmäßig zu halten. Wenn ich das nach einer Weile erreiche, fühlt sich alles gut an und ich kann abschalten, konzentriere mich nur noch auf das Ausführen des Ruderns. Nach einer Weile merke ich, dass ich intuitiv und und mit einer weniger bewussten Anstrengung rudere, das fühlt sich gut an.
Laut sportsperformancebulletin.com kann der Zustand dadurch erreicht werden einen Plan zu entwickeln, sich auf das zu konzentrieren was man erreichen will, sich gut vorzubereiten und an seine Fähigkeiten zu glauben.
Störende Faktoren ausschließen
Rudern ist ideal für Väter. Ich bin ein Familienvater mit 3 Kindern. Da ist Leben im Haus, jeden Tag! Es gibt Konflikte, es gibt gemeinsame Freude. Der Alltag ist relativ gut durchgeplant, jedes Kind hat seine Hobbys. Ich rudere in der Regel Abends, wenn die Kinder ins Bett gebracht sind. Jeder der selber Kinder hat, kennt das: Es wird viel und häufig nach den Eltern gefragt, insbesondere wenn die Kinder noch kleiner sind. Das ist gut und richtig so. Wenn ich bspw. am Wochenende auf dem Rudergerät bin, kommen meine Kinder manchmal zu mir und fragen etwas oder möchten mir etwas zeigen, oder brauchen bei einer Sache Unterstützung. Das Training wird dann unterbrochen oder ich unterhalte mich während dem Training mit meinen Kindern. In solchen Fällen ist die äußere Umgebung nicht ideal um in den Zustand des Flows zu kommen. Völlig in Ordnung, das ist Leben in und mit der Familie. Wertvoll!
Eine Methode um ein angenehmes optimales Training zu haben und sich darauf voll konzentrieren zu können ist „Mindfulness“. Es geht dabei darum, wie man in das Training geht und wie man äußere Faktoren versucht gezielt zu steuern.
Für mich fängt das damit an, dass ich weiß wann ich trainiere. Bewusst Zeiten dafür reservieren, mit meiner Familie absprechen, bei mir ist es im Kalender als Serientermin eintragen.
Dann den Kopf darauf einstimmen: „Heute Abend trainiere ich“ – das mag banal klingen, aber wenn der Gedanke geformt ist, folgt der Körper dem Geist.
Die Sportkleidung anziehen, den Brustgurt anlegen, das Trainingssetup machen: Wie möchte ich heute trainieren? Habe ich einen Trainingsplan und kann mich daran orientieren? Ich stelle das Training in der App ein, entweder ErgData beim Concept2 Rudergerät oder Smartrow am Waterrower.
Ich überlege mir ob ich bei dem Training einen Podcast hören möchte oder welche Musik ich laufen lasse, oder ob ich schlicht nur Rudere und mich darauf konzentriere. Manchmal eine zusätzliche App oder ein Video.
Es sind bewusste kleine Entscheidungen, der Ablauf ist geübt und oftmals gleich. Ich habe einen harmonischen Einstieg in das Training wenn die Technik funktioniert und alles klar ist.
Und dann wird gerudert.
Mindfulness bzw. Achtsamkeit mag ggf. nur ein Teil des Ganzen sein, aber es hilft definitiv um das Training optimal einzuleiten und störende Faktoren dabei auszuschließen.
Im Tunnel sein – Was passiert im Kopf?
„Im Tunnel sein“ ist aus meiner Sicht ebenfalls ein gekonnte Übersetzung im Deutschen für diesen Geisteszustand. Manch einer kennt diesen Zustand bspw. auch aus der Software Entwicklung. Im Film „The social network“ wurde dies in einer Szene ebenfalls aufgegriffen, nach Hollywood Art 🙂
Ich kenne das von ehemaligen Kollegen, wenn diese die Kopfhörer aufgesetzt haben und tief in die eigenen Aufgaben versunken sind. Konzentration, bei der Sache sein – sehr hilfreich, wenn man Software entwickelt. Dabei geht es dann primär darum die gestellten Aufgaben zu lösen und ohne Ablenkung das Ziel zu verfolgen. Mag nach außen komisch wirken, abweisend, abgeschirmt, für sich selber. Han Solo Style.
Um diesen Zustand zu erreichen, bedarf es beim Rudern mehr als große Kopfhörer. In dem Paper „Being in the Zone“ werden folgende Konstrukte aufgeführt, welche dafür relevant sind:
confidence, anxiety, commitment, motives, goals, attention, optimal focus and arousal, and the “letting it go” state.
Konstrukte oder Dimensionen, die Forschung beschreibt es in unterschiedlichen Weisen. 1990 waren es noch 8 Dimensionen, In dem Buch Flow in Sports von Dr. Susan A Jackson, welches 1999 erschienen ist, wurde dies etwas abgewandelt und es werden folgende 9 Dimensionen beschrieben in denen sich das Gehirn während dem Flow befindet:
- Challenge-skills balance
- Action-awareness merging
- Clear goals
- Unambiguous feedback
- Concentration on the task in hand
- Sense of control
- Loss of self-consciousness
- Transformation of time
- Autotelic experience
Wie sieht das Ganze beim Rudern aus? Diese 9 Punkte möchte ich einmal für das Rudern explizit versuchen aufzudröseln:
Das Gleichgewicht zwischen Herausforderung und Fähigkeiten wird dadurch erreicht, dass ein Training gewählt wird welches zwar anstrengend ist, jedoch nicht langweilig. Für mich persönlich hilft die Konzentration auf die gleiche Schlagzahl, das ist schon Herausforderung genug, mehr braucht es für mich nicht. Wie lange schaffe ich es die Schlagzahl gleichmäßig zu halten, wie lange kann ich damit rudern?
Die Verschmelzung von Handlung und Bewusstsein passiert in dem Moment, in welchem das Rudern automatisch durchgeführt wird, ohne dass ich den Bewegungsablauf konkret steuere. Es gibt immer wieder Phasen in denen an der Technik gefeilt wird, die Kraftkurve bspw. nicht ideal ist oder der Zug wieder bewusster mit dem Latissimus Muskel unterstützt wird.
Klare Ziele fangen bei mir vor dem Training an. Wie möchte ich heute Trainieren, das Training wird in der App eingestellt und dann bis zum Ende verfolgt. Einer der Schlüsselfaktoren um die Dimension zu erreichen. Nur durch klare erreichbare Ziele kann ein Fokus darauf gerichtet werden.
Das unmissverständliche Feedback bietet mir mein Körper und die App mit den angezeigten Zahlen. Wie hoch ist meine Herzfrequenz? Wie schnell sind meine Splits? Wieviele Watt ziehe ich gerade?
Bei der Konzentration auf die gestellte Aufgabe werden die einzelnen Schritte zum richtigen Rudern befolgt. Jede einzelne Phase des Ruderzuges wird mit Bedacht und Konzentration ausgeführt.
Habe ich meine anvisierte Zielzeit und Schlagzahl erreicht? Bewege ich mich richtig? Durch die Konzentration auf die einzelnen Bereiche des Ruderns erhalte ich ein Gefühl der Kontrolle über mein Training. Ich kann dies durch meinen Körper beeinflussen. The Perfect Stroke.
Bis zu diesem Punkt mögen viele noch mitgehen, die folgenden 3 Punkte sind nun insbesondere spannend:
Bei dem Verlust des Selbstbewusstseins kommen die Gedanken ins Spiel. Wie nehme ich mich selber gerade wahr, über was denke ich nach? Konzentriere ich mich noch auf die Aufgabe, oder bin ich gerade mit den Gedanken woanders? Wenn ich voll auf die Aufgabe konzentriert bin, nehme ich Andere Dinge nicht mehr wahr. Auch mich selber nicht mehr in dem Maße, wie es sonst der Fall ist.
Die Wahrnehmung von Zeit ist immer subjektiv. Wer kennt es nicht, dass man auf die Uhr guckt und darüber erstaunt ist, wie schnell die Zeit vergangen ist? Insbesondere in Träumen wird die Zeit unendlich lang und weit gedehnt.
Die unterschiedliche Wahrnehmung der Zeit erfolgt dadurch, dass man völlig in der Aufgabe aufgeht und die Zeit nicht mehr im Blick hat. Eintauchen, abtauchen, abschalten, träumen sind Attribute welche gerne hierfür verwendet werden. Verändert man dadurch die Zeit? Mitnichten! Lediglich die eigene Wahrnehmung der Zeit wird verändert.
Und zuletzt wird eine „autotelische Erfahrung“ als 9. Dimension erreicht. Mit diesem Begriff kann man ggf. zunächst nicht direkt etwas anfangen. Csikszentmihalyi beschrieb dies wie folgt:
The key element of an optimal experience is that it is an end in
itself. It is an autotelic experience. The term „autotelic“ derives
from two Greek words, „auto“ meaning self, and „telos“ meaning
goal. It refers to a self-contained activity, one that is done not
with the expectation of some future benefit, but simply because
the doing itself is the reward.
Es ist die Dimension, welche es ermöglicht an der Tätigkeit eine Freude zu empfinden unabhängig von irgendwelchen Vorteilen sondern schlicht weil das Rudern an sich ein Gewinn bringt. Wie könnte es auch anders sein?
So wie ein Kind in ein Spiel versinkt und in dem Spiel völlig eingetaucht ist, dabei die Welt um sich herum vergisst und in dem Spiel völlig aufgeht, so fühlt sich Rudern an. Glückshormone werden ausgeschüttet, ggf. ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert. Dominante Emotion: Glückseligkeit.
Der richtige Sport um in den Fluss zu kommen
Der Zustand des Flows kann in unterschiedlichen Sportarten erreicht werden: Laufen, Klettern, Skifahren, Radfahren. Bei welcher Sportart könnte „Flow“ allerdings besser passen als beim Rudern? 🙂
Auch wenn das Rudern zu Hause nicht auf dem Wasser passiert, aus meiner Perspektive ist Rudern eine der besten Möglichkeiten um in einen Flow zu kommen. Das liegt vermutlich unter Anderem an dem kontinuierlichem Rhythmus beim Rudern, welcher im Gegensatz zu anderen Sportarten etwas ganz Besonderes ist.
Gleichzeitig gibt es beim Rudern wenig Ablenkung und die volle Konzentration auf die eigentliche Übung und den Sport kann ausgeführt werden. Der Ruder-Ergometer bietet dafür die besten Voraussetzungen, die wichtigsten Kennzahlen sind im Blickfeld, ich sitze und bewege meinen Körper.
Eine der schönsten Möglichkeiten dies in die Tat umzusetzen bietet der Waterrower mit meditativem Wassergeräusch:
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Bei Reddit habe ich einen Kommentar gelesen, der sich auf das Concept2 Rudergerät bezog.
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Das Concept2 Rudergerät nutzt einen Luftwiderstand, welcher ein anderes Geräusch macht als Wasser. Als kürzlich jemand danach gefragt hat, welche gute Ablenkungen es beim Rudern gäbe, erhielt der Fragesteller eine legendäre Antwort:
I erg in silence, listen to the fan go froom
In diesem Sinne: Ein Zustand des Flows kann unabhängig vom Rudergerät erreicht werden, es funktioniert nicht immer und hängt von verschiedenen Faktoren ab, grundsätzlich eignet sich das Rudergerät und Rudertraining jedoch ausgezeichnet dafür.
Keep on flowing! 😉 🤙