Zum 01.07.2024 war es endlich so weit, der Glasfaseranschluss wurde bei mir zu Hause geschaltet. đ„ł Fiber to the Home (FTTH) – Glasfaser – das ist diese đ Raketentechnik auf welche Jahrzehnte in Deutschland gewartet wurde und welche nun endlich flĂ€chendeckend ausgebaut wird. Und mit flĂ€chendeckend ist gemeint, dass selbst die hintersten Höfe im Schwarzwald angebunden werden.
Ein schneller Internetanschluss ist heute fast vergleichbar mit der Grundversorgung: Wasser, WĂ€rme, Strom … und eben Internet. Als wir vor ein paar Jahren von Karlsruhe nach Gengenbach gezogen sind war ein wenig Wehmut dabei, denn in meinem Heimatort lagen zu dem Zeitpunkt bereits Fasern in der StraĂe und es gab Bestrebungen diese ĂŒber einen regionalen Anbieter anzuschlieĂen.
Da wir weggezogen sind, habe ich es nicht nÀher verfolgt, lediglich den etwas chaotischen Ausbau in der Ortenau live miterlebt. Ich glaube bei Infrastruktur hat jeder immer eine Geschichte auf Lager, eben weil es nervig ist wenn diese nicht funktioniert oder weil es als selbstverstÀndlich angesehen wird, wenn alles reibungslos funktioniert.
Inhalt
Wie kommt die Glasfaser zu mir nach Hause?
Bei uns fing der Glasfaserausbau damit an, dass dies zunĂ€chst durch eine groĂe Werbekampagne „Out-of-Home“ wahrgenommen wurde. Im Ort wurde groĂ durch „Unsere GrĂŒne Glasfaser“ geworben – ein Unternehmen, welches sich aus meiner Perspektive nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert hat. AnschlieĂend wurde im OrtsblĂ€ttchen beschrieben dass nun endlich die Zukunft in Gengenbach einzieht und der Ausbau in verschiedene Teile eingeteilt wĂ€re. Das war der Zeitpunkt als die magentafarbene Kampagne los ging und jeder graue Verteilerkasten (welche eigentlich nicht beklebt werden dĂŒrfen) zur WerbeflĂ€che wurde.
Die nĂ€chste Stufe waren die Vertreterbesuche. Den ersten Vertreter habe ich in die WĂŒste geschickt, der hatte leider ĂŒberhaupt keine Ahnung von dem Produkt und hat mich zudem noch dreist angelogen, „ein Ausbau sei nur jetzt ĂŒber Ihn möglich“. Da ich die Informationen aus dem OrtsblĂ€ttchen gelesen hatte, war dies fĂŒr mich ein Grund keinen Vertrag an der TĂŒr abzuschlieĂen.
Ich habe mich mit dem nĂ€chsten Vertreter lĂ€nger unterhalten, aus meiner Perspektive hatte er gerade so viel Ahnung von der eigentlichen Technik dass er diese verkaufen konnte – Verkaufen war jedoch das Hauptaugenmerk und das passierte leider mit allen möglichen Mitteln. Was treibt einen Vertriebler an? Die Provision fĂŒr den Abschluss! FĂŒr einen erfolgreichen Abschluss, hat mir der gute Herr erklĂ€rt, bekĂ€me er 42⏠– ich hĂ€tte vermutet dass es mehr wĂ€re, insbesondere da ich die VergĂŒtungen im Bereich Affiliate Marketing kenne. Das Unternehmen Deutsche Glasfaser bezahlt bspw. 120⏠fĂŒr einen online vermittelten Glasfaseranschluss. Wobei wir damit auch schon bei der Krux der Sache sind: Einen Anschluss benötige ich nur, wenn die Faser bereits im Haus liegt – und das war ja bis vor Kurzem nicht der Fall.
Bevor ich das lichtschnelle Internet genutzt habe, hatte ich einen Kabelanschluss. Das war bei uns die schnellste Möglichkeit fĂŒr einen Internetanschluss. Es gab zwar auch DSL ĂŒber die Telefonleitung, aber der Kabelanschluss hat immerhin eine Verbindungsgeschwindigkeit von 1Gbit/s versprochen. Ich hatte den Tarif Vodafone CableMax 1000.
Zu Beginn war das noch Unity Media, welche in den letzten Jahren komplett in Vodafone integriert wurden. Ich hatte nur einen Kabelanschluss fĂŒr das reine Internet und VoIP, theoretisch wĂ€re es jedoch auch möglich gewesen darĂŒber Fernsehen zu empfangen da es keine Hardware-Sperre gab. Einmal hatte mich Unity Media dazu angerufen und wollte mir das Fernsehen als Upsell verkaufen, ich habe jedoch dankend abgelehnt. Wieso klassisches Fernsehen, wenn ich Internet habe? Höchstes vielleicht fĂŒr Sport Liveveranstaltungen, aber die paar Millisekunden waren fĂŒr mich bisher nicht relevant.
Die Fritzbox hat in der Tat einen Downstream von 1,13 Gbit/s angezeigt – die meisten GerĂ€te verwenden bei mir zu Hause die 5Ghz Frequenz des WLANs, sodass zumindest theoretisch die Geschwindigkeit im Downstream vorhanden gewesen wĂ€re – war sie jedoch nie. đ Ausgereicht hat es trotzdem allemal, auĂer wenn ein groĂer Download stattgefunden hat, dann haben die anderen Teilnehmer im Netz das zu spĂŒren bekommen.
Lohnt sich ein Glasfaseranschluss?
Als ich mich fĂŒr einen Glasfasertarif entscheiden durfte, war meine Motivation durch den bereits schnellen Kabelanschluss etwas gedĂ€mpft. Wieso wechseln, wenn ich sowieso bereits ein relativ schnelles Internet habe? Zumal die neuen Tarife alle teurer sind und keine höhere Ăbertragungsgeschwindigkeit (zumindest auf dem Papier) versprochen haben. Ich habe dann jedoch trotzdem einen Vertrag abgeschlossen und mich fĂŒr O2 ĂŒber UGG (Unsere GrĂŒne Glasfaser) entschieden. Die Entscheidung fiel deswegen auf O2, da der Vertriebler mir sagte dass ich darĂŒber auch einen GeschĂ€ftskundenvertrag abschlieĂen könne. Stiegeler wĂ€re noch ein regionaler Anbieter gewesen, auf Nachfrage jedoch nicht fĂŒr GeschĂ€ftskunden in dieser Ausbauphase.
Als dann endlich die Bagger anrĂŒckten und die Faser in die StraĂe legten, hat plötzlich das Konstrukt rund um UGG angefangen zu bröckeln. Meine Nachbarn haben sich alle fĂŒr die Telekom entschieden, weil es hieĂ dass lediglich die Telekom in unserer StraĂe ausbauen wĂŒrde und kein anderer Anbieter. Das konnte und wollte ich nicht so richtig glauben, schlieĂlich wurde zuvor in der Gemeinde ja darĂŒber informiert, dass es mehrere Unternehmen gĂ€be, die den Ausbau durchfĂŒhren. Es war die Zeit der asynchronen Informationspolitik. Auf Nachfrage bei O2 beteuerte man mir, dass ich auf jeden Fall den Anschluss erhalten wĂŒrde.
Der Ausbau lief mal besser und mal schlechter. Meine Kinder hatten in der Zeit keinen sicheren Schulweg, die Bauunternehmen und die Gemeinde hatten aus meiner Perspektive nicht die notwendigen MaĂnahmen getroffen um dies sicherzustellen. Ich habe das schweigend beobachtet – schlieĂlich wurde ja endlich die Zukunft verlegt und ich war darĂŒber froh. Der Zweck heiligt die Mittel? đ
Sowohl Gemeinde als auch die beteiligten Unternehmen haben vermutlich viel in dieser Zeit gelernt – ich habe nach einiger Zeit einen Brief von O2 mit der Information erhalten, dass UGG nicht mehr in meiner StraĂe ausbauen wĂŒrde, ich jedoch weiterhin O2 wĂ€hlen könne – der Ausbau wĂŒrde ĂŒber die Telekom laufen. Aha!
Daraufhin habe ich mich bei O2 gemeldet und mir wurde gesagt, dass ich den GeschĂ€ftskundenvertrag nicht nutzen könne, wenn ich die 800⏠Förderung des Anschlusses fĂŒr mein Privathaus nutzen möchte.
Das war der Moment, an welchem ich angefangen habe zu zweifeln. đ€ Brauche ich wirklich einen Glasfaseranschluss? Bringt dieser eine so hohe Wertsteigerung fĂŒr die Immobilie oder reicht vielleicht auch schlicht ein schnödes Leerrohr?
Ich habe mich dann letztendlich doch fĂŒr O2 entschieden, der Ausbau erfolgte in der Tat dann ĂŒber die Telekom, welche einen Bauunternehmer beauftragt hat, der einen Subunternehmer beauftragt hat. đ€Ż Turtles all the way down …
Was ich zwischendurch erfahren habe: Das Glasfasernetz gehört der Allianz Versicherung, wenn es einmal verlegt ist – die nehmen die Pacht von den Telcos. Allianz hatte ich schon lĂ€nger auf meiner Watchlist, ich war mir bisher nicht sicher aufgrund der RĂŒckstellungen wegen sonderbarer US-GeschĂ€fte. Irgendwann habe ich dann jedoch Allianz Aktien in mein Depot gelegt um langfristig an meinem eigenen Glasfaseranschluss mitzuverdienen đ Aus meiner Perspektive wĂ€re der Ausbau der Infrastruktur ideal fĂŒr die lokalen Stadtwerke gewesen. Denen gehört ja auch das regionale Versorgungsnetz, wieso also auch nicht gleich dieses Netz mit betreiben?
Bis ich jedoch Dividende von der Allianz erhielt, dauerte es noch etwas: Ich hatte extra einen Termin ausgemacht und einen Tag zuvor die Pflanzen aus dem Vorgarten ausgegraben, alles war bereit fĂŒr die letzten Meter Faser – nur der Subunternehmer kam nicht. Einen Tag spĂ€ter hat es dann geklappt, 4 starke Bauarbeiter standen in meinem Vorgarten und ich konnte die Pflanzen am nĂ€chsten Tag wieder einpflanzen.
Dann lag tatsĂ€chlich ein dĂŒnnes Plastikrohr in meinem Keller und ein paar Tage darauf wurde die Faser eingeblasen. Als der Techniker kam, um diese anzuschlieĂen habe ich mich wieder ein wenig unterhalten. Er sagte mir, dass er in der Ausbildung noch gelernt hĂ€tte wie Kabel und DSL funktioniert, obwohl im europĂ€ischen Ausland bereits Glasfaser genutzt wurde. Als ich Ihn darauf angesprochen habe, wieso dies in Deutschland so schleppend passiert sei, hat er eine diplomatische Antwort gegeben. Aber eigentlich ist klar, wer uns das so lange vorenthalten hat:
Helmut Kohl hat zwar Deutschland vereint, aber im Breitbandausbau wenig zukunftsorientiert gedacht.
Die Fritzbox kam vor ein paar Tagen an und zum 01.07 erfolgte die Umschaltung. Ganz so einfach war es dann wiederum nicht, der Einrichtungsassistent fragte nach einem PLOAM Kennwort, welches mir jedoch nicht mitgeteilt wurde. Ich konnte die Zugangsdaten eingeben und ĂŒber das O2 Portal auch die SIP-Zugangsdaten fĂŒr das Telefon einsehen und in der Fritzbox konfigurieren. Dann hat es noch 2 Anrufe bei der Hotline benötigt, ich musste die ID des Modems nennen, bis schlieĂlich das Licht grĂŒn wurde:
Und was sahen meine trĂŒben Augen? Mir wird ein Downstream von 2,5 Gbit/s und ein Upstream von 1,25 Gbit/s angezeigt. đł Mein O2 Vertrag „Home XXL 1000“ hat laut Produktinformationsblatt einen Downstream von 1000 MBit/s und einen Upstream von 200 MBit/s (In ausgewĂ€hlten Regionen 500 Mbit/s). Das hat mich dann doch positiv ĂŒberrascht.
Eine Sache, welche mich nĂ€mlich von Anfang an etwas geĂ€rgert hat: Wieso kein synchroner Up- wie Downstream? Technisch ist das nun mit Glasfaser möglich, in anderen LĂ€ndern werden entsprechende Tarife verkauft. Mit 1,25 Gbit/s Upstream sollte es nun zumindest möglich sein, dass ich meinen eigenen Server fĂŒr diesen Blog im Keller betreibe – ggf. ein Projekt fĂŒr den nĂ€chsten langen kalten Winter?
Nun gut: Ende gut – alles gut!
Wozu schnelles Internet?
Wieso schreibe ich hier ĂŒber meinen Internetanschluss und warum ist mir schnelles Internet wichtig? Ich glaube die Pandemie hat allen noch einmal deutlich vor Augen gefĂŒhrt wie es aussieht, wenn man von zu Hause arbeitet. Schnelles Internet war ein Gamechanger, die Videokonferenzen liefen ruckelfrei, ohne Artefakte und auch der Datenaustausch funktionierte schnell. Wenn man sich einmal anguckt wie sich die DatenĂŒbertragungen in den letzten Jahren entwickelt haben, dann gibt es eigentlich nur eine Antwort: Schneller!
Eine Sache, die mich in meiner tĂ€glichen Arbeit am meisten nervt: Wenn das Internet nicht funktioniert. Zum GlĂŒck sind das die seltenen Ausnahmen. Klar gibt es auch Aufgaben, die man ohne Verbindung machen kann, aber ein GroĂteil meiner Arbeit setzt die Datenverbindung voraus. Ich habe zu meinem Internetanschluss noch immer einen Fallback in Form eines LTE-Modems verfĂŒgbar. Das mag fĂŒr den ein oder anderen ggf. etwas zu extrem wirken, aber wie nervig ist es wenn das Internet nicht funktioniert? Der Techniker ist informiert… đ
Ich nutze fĂŒr mein Rudertraining bspw. gerne die App EXR. Diese erfordert eine Internetverbindung, wenn ich mit anderen Ruderern gleichzeitig rudern möchte. Braucht man das? Nicht unbedingt, aber wenn ich sowieso eine schnelle Verbindung habe, wieso diese nicht auch nutzen? Ich glaube, dass durch eine moderne und schnelle Infrastruktur ebenfalls Innovation gefördert wird. Dinge die vor Jahren noch als undenkbar galten, werden dann plötzlich selbstverstĂ€ndlich.
In diesem Sinne: Keep on rowing!