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Sporttechnik Wahoo

Warum ein Trainingscomputer ein Relikt der Steinzeit ist

Wir befinden uns im Jahr 2022, die Corona Pandemie ist absehbar vorbei und damit hoffentlich ebenso Supply-Chain Probleme bei Trainingsgeräten. Viele Menschen haben sich in der Pandemie eine Sporttrainingsgerät zugelegt, E-Bikes und Fahrräder waren teilweise über Monate ausverkauft, die Lager der Sportgeräte-Händler vielerorts leer.

Und in der Werbung wurde man dafür erwärmt mit anderen Menschen zusammen digital zu trainieren, wenn schon ein gemeinsamer Sport nicht ausgeübt werden konnte. Wer im Jahr 2021 keine Werbung für ein Peloton Fahrrad gesehen hat, hatte sich selbst vermutlich eine sehr strenge Mediendiät verordnet.

Bevor ich mich für den Waterrower als Rudergerät entschieden habe, hatte ich mit dem Gedanken gespielt ein Wahoo Kickr Snap zu kaufen und mein Mountainbike darin einzuspannen. Wer das Gerät einmal gesehen hat, wird unschwer erkennen dass kein Trainingscomputer enthalten ist. Im Grunde genommen ist garnicht viel an Gerät erkennbar.

Auf der Website von Wahoo wird damit geworben, dass das Gerät mit den meisten Apps funktioniert, es wird sogar eine Vergleichstabelle verschiedener Apps bereitgestellt:

Die hauseigene Wahoo SYSTM neben Zwift, FulGaz, TrainerRoad, Rouvy, RGT Cycling, PeriPedal, Kinomap, ErgVideo, BKOOL, VeloReality und PerfPro werden miteinander verglichen.

Das Trainingsgerät mit Trainingscomputer, vor einigen Jahren noch als Marke dafür bekannt besonders genau zu messen, nun degradiert zu einer einfachen „Mühle“ mit Sensoren? Bspw. im Rudersport ist das Concept2 Rudergerät eines der Standardgeräte in Fitnesscentern und es wird auch für offizielle Wettkämpfe genutzt.

Qualität in der Verarbeitung bleibt unbestritten und auch die Technik ist entscheidend, aber nicht zuletzt sind es die Sensoren, welche nun in Kombination mit den passenden Apps den Unterschied machen. Ein Paradigmenwechsel?

Hallo Computer

Softwareentwickler und Ingenieure werden mir bei meiner Einschätzung vermutlich beistimmen, dass ein System welches aufeinander abgestimmt ist verlässlicher ist und besser messen kann als unterschiedliche Komponenten verschiedener Hersteller.

Ein Trainingscomputer an einem Heimtrainer oder Trainingsgerät wurde genau für diesen einen Zweck entwickelt und darauf optimiert mit den Sensoren so korrekt wie möglich zusammen zu arbeiten um die richtigen Daten anzuzeigen. Es gab Tests, eine Qualitätssicherung und Bugfixes für die Software im Trainingscomputer bis dann alles schlussendlich so funktioniert hat wie es gedacht war. Das Gerät konnte mit dem dafür entwickelten Trainingscomputer als Produkt verkauft werden.

Fast forward: Legendär ist die Szene aus Star-Trek, in welcher Scotty aus der Zukunft mit dem Computer kommunizieren interagieren möchte und dabei zunächst an seine Grenzen stößt.

Ich vermute ähnlich kommt es heute vielen vor, die mit einem faszinierenden Stand der Technik aus den 90ern trainieren möchten:

Hammer Trainingscomputer
Ein ausgezeichneter Trainingscomputer von dem über 100 Jahre bewährten Unternehmen Hammer. Quelle: Hersteller

Ich zolle jedem hohen Respekt, der eigene Trainingsprogramme auf einem LCD-Display mit 6 verschiedenen Tasten erstellt hat – das war in der Leistung vermutlich ähnlich ergiebig wie mehrere Trainingseinheiten.

Software Updates over the Air

Der abgebildete Trainingscomputer von Hammer (war damals schon der Hammer 😉 ) ist natürlich nur repräsentativ und mittlerweile bietet das Unternehmen zusätzlich ebenfalls weitere Möglichkeiten mit Apps an (Tipp: Bspw. das Hammer Ocean One im Wasser Rudergeräte Vergleich), doch warum halten noch so viele Firmen an den Trainingscomputern fest und nutzen nicht ähnlich wie Wahoo die Möglichkeiten der neuen Technik?

Vermutlich hängt vieles mit dem Selbstbild der Unternehmen zusammen, welche die Sportgeräte entwickelt haben, aber auch mit der Branche der Fitnessgeräte und dem damit verbundenen Vertrieb. Man muss sich hierbei einmal den Produktzyklus eines Sportgerätes vor Augen führen, welches mehrere Jahre dauerte.

Der Gründer von Aviron hat hier einmal beschrieben, was es für eine Achterbahnfahrt war eine App für das Rudern zu erstellen. Das sind Welten zwischen den Herstellern der Geräte und denjenigen, die mit einer App daraus ein fertiges Produkt erstellen wollen. Hinzu kommen dann noch die eigentlichen Hürden, die jeder Softwareentwickler einmal erlebt hat – Programming Is Hard, Let’s Go Shopping!

Wenn es also darum geht ein modernes Trainingsgerät zu entwickeln, welches mit Apps über ein beliebiges Endgerät kommunizieren kann und perfekt abgestimmte Sensoren dafür hat, so grenzt es geradezu an einem Wunder dass sowas bereits entwickelt wurde.

Ist es jedoch einmal vorhanden, so bietet die Infrastruktur und die Schnittstellen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten dies zu erweitern, inklusive Softwareupdates über das Internet welche das Gerät aufwerten oder alternativ wie bei dem Nordictrack iFit auch für Unmut sorgen, weil man während dem Training kein Netflix mehr gucken kann.

Aus meiner Perspektive gibt es in Zukunft zwei Wege für Sportgerätehersteller:

  1. Entweder werden eigene digitale Infrastrukturen geschaffen, welche mit den selbst entwickelten und produzierten Geräten perfekt zusammen arbeiten und dabei Schnittstellen zu allen weiteren relevanten Anbietern von Third-Party Apps bieten
  2. Oder aber man konzentriert sich als Sportgerätehersteller lediglich auf das Gerät, die digitale Wertschöpfung wird dabei anderen Partnerunternehmen überlassen

Außer Frage steht jedoch die Entwicklung der Trainingscomputer. Diese werden in ein paar Jahren die Vitrinen der Technikmuseen zieren und dabei einen Blick in die Vergangenheit bieten.

Artikel veröffentlicht am 23. Februar 2022

Von Ulf

Seit Anfang 2022 habe ich den Rudersport für mich entdeckt. Ich rudere regelmäßig, das Rudern ist Teil meines Alltags geworden und auf diesem Blog beschreibe ich meine gesammelte Erfahrung zu Rudergeräten, virtuellem Training, Fitness Gadgets sowie alles rund um den Sport Indoor-Rudern. Mehr über mich

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